Wenn Stille keine Ablehnung ist

Es ist 1:24 Uhr nachts. Und wieder liege ich wach.

Wie schon so oft in den letzten Nächten ist Schlaf für mich ein ferner Gedanke. Mein Körper ist völlig erschöpft, aber mein Kopf… der spielt verrückt. Ein Gedanke lässt mich nicht los – er kreist unaufhörlich, und ich muss ihn irgendwie loswerden. Vielleicht finde ich dann etwas Ruhe.

Ich schreibe das hier, weil es da etwas gibt, das mich tief belastet. Etwas, womit ich einfach nicht zurechtkomme. Etwas, das mich traurig macht und mir immer wieder weh tut.


Wenn Schweigen nicht bedeutet, dass mir jemand egal ist

Es geht um den Kontakt zu Menschen – zu den wenigen, mit denen ich online verbunden bin, über Messenger oder E-Mail. In bestimmten Phasen meiner Depression – und ja, sie sind leider ein Teil meines Lebens – passiert es immer wieder: Ich ziehe mich zurück. Für Tage. Wochen. Manchmal sogar Monate. Und ich melde mich nicht.

Nicht, weil ich nicht will. Nicht, weil mir jemand egal ist. Und ganz bestimmt nicht aus böser Absicht.

Es ist die Depression. Sie raubt mir die Kraft, die Energie, den Mut. Selbst für so kleine Dinge wie eine Nachricht. Private Kommunikation ist in diesen Momenten überwältigend. Zu viel.


Die Folge: Missverständnisse und zerbrechende Verbindungen

Was mich daran so sehr schmerzt: Die meisten Menschen, die mir begegnen, verstehen das nicht. Sie nehmen mein Schweigen persönlich. Sie fühlen sich zurückgewiesen. Und nach einer Weile… schlafen diese Kontakte ein. Oder brechen ganz ab. Ich versuche immer, gleich zu Beginn offen darüber zu sprechen. Viele sagen dann, dass sie Verständnis haben und damit umgehen können. Aber in der Realität zeigt sich oft etwas anderes: Die meisten kommen eben doch nicht damit zurecht.

Wenn ich mich dann irgendwann doch mal wieder melde – mit zitternden Fingern und schlechtem Gewissen – merke ich es oft schon an den Antworten: Da ist nichts mehr. Kein echtes Interesse. Kein echtes Band mehr.

Und ich verstehe das. Wirklich. Ich hätte früher vielleicht genauso reagiert.


Ich wähle meine Kontakte mit Bedacht

Ich bin kein Mensch mit vielen Kontakten. Gerade online wähle ich sehr genau, mit wem ich in Verbindung trete. Da muss vorher schon etwas da sein – eine Verbindung, ein Gefühl von Vertrauen.

Ich möchte hier auch ganz klar sagen: Es geht mir um Freundschaften. Um freundschaftliche, bedeutsame Bekanntschaften. Nicht um romantische Geschichten. Ich will keine Missverständnisse erzeugen.


Zwischen Sehnsucht und Überforderung

Ich weiß oft nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich habe alles Mögliche versucht: Erinnerungen in meinem Kalender, automatische Erinnerungen – aber all das setzt mich nur noch mehr unter Druck. Und Druck ist Gift, wenn man eh schon kämpft.

Jedes Mal, wenn ein Kontakt zerbricht, bricht auch etwas in mir. Es tut jedes Mal ein bisschen mehr weh. Denn ich habe nicht viele Menschen. Und wenn ich wieder jemanden verliere, wächst die Angst: Was, wenn am Ende niemand mehr da ist?


Hilfe – theoretisch da, praktisch unerreichbar

In meiner Fediverse-Community haben mir schon einige angeboten, dass ich mich melden darf, wenn es mir schlecht geht. Und das ist wunderschön. Aber: Wenn es mir gut geht, will ich niemanden mit meinen Themen belasten und dazu kommt, dass ich mich dann mit den negativen Seiten meiner Depression nicht beschäftigen mag. Und wenn es mir schlecht geht, ziehe ich mich zurück. Dann fehlt mir jede Kraft, um Hilfe anzunehmen.

Theoretisch ist da ein Netz. Aber praktisch falle ich trotzdem durch. Immer wieder. Und das macht mich unglaublich traurig.


Einsamkeit trotz Stärke

In meinem realen Leben gibt es eigentlich nur eine Person, mit der ich gescheit sprechen kann: meine Tochter. Aber sie ist erwachsen, und ist nur noch selten zuhause. Und ich… ich bin oft allein.

Versteht mich nicht falsch – ich kann gut allein sein. Ich brauche das sogar. Aber es gibt Momente, da wird dieses Alleinsein zur Dunkelheit. Da ist es nicht heilsam. Sondern schmerzhaft. Erdrückend. Leer.


„Aber du bist doch online aktiv?“ – Ja. Aber das ist nicht dasselbe.

Manche fragen sich vielleicht: „Wie kann das sein? Du bist doch im Fediverse aktiv, du postest, bist kreativ, gut gelaunt – und trotzdem meldest du dich bei mir nicht?“

Das liegt daran: Öffentliche Posts, flüchtige Gedanken in eine Timeline zu werfen, das kostet mich weniger Energie. Das ist oberflächlicher, leichter. Aber private Gespräche? Die fordern mich auf ganz anderer Ebene – und genau das überfordert mich oft.

Ich verstehe, dass das von außen anders wirkt. Und ich hoffe, dass dieser Text ein bisschen Klarheit bringt.


Und jetzt?

Gerade gibt es einige Menschen, bei denen ich mich seit Wochen oder Monaten nicht gemeldet habe. Aus genau den Gründen, die ich hier beschrieben habe. Und je länger das Schweigen dauert, desto größer wird meine Angst, mich wieder zu melden.

Weil es immer derselbe Grund ist den ich erklären muss. Und weil ich mich dafür schäme. Weil ich Angst habe, wieder Ablehnung zu spüren.

Aber heute Nacht hatte ich die Kraft, das alles aufzuschreiben. Endlich. Vielleicht hilft mir das. Vielleicht schafft es Verständnis. Vielleicht öffnet es Türen.

Jetzt müssen die Menschen, die das betrifft, diesen Text nur noch lesen. Ich habe überlegt, ihnen den Link zu schicken… aber da bin ich mir noch nicht sicher. Vielleicht. Vielleicht später. Ich muss darüber noch Grübeln.

Für den Moment bin ich einfach nur froh, dass ich es geschafft habe, diese Worte rauszulassen. Dass ich meine Gedanken ein wenig sortieren konnte und ich hoffe ich konnte das einigermaßen verständlich rüber bringen.

Ich glaube, ich habe alles gesagt. Alles, was gerade wichtig ist.

Danke fürs Lesen –
Sky


Artikel im Fediverse